Elisabeth Luederitz die Künstlerin

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Elisabeth Lüderitz

Künstlerin zwischen den Zeiten

Talent hatte sie: Elisabeth Lüderitz, geboren 1858 in Berlin, gehörte zu den wenigen Frauen, die es Ende des 19. Jahrhunderts in die wichtigen Ausstellungen schafften. Sie war 22 Jahre alt, als die Akademie der Künste 1880 erstmals ein Werk von ihr ausstellte. Ein Jahr später waren drei ihrer Bilder bei der Ausstellung des Kunstvereins Kassel zu sehen,1891, 1893 und 1894 bei der Großen Berliner Kunstausstellung, 1893 sogar bei der Weltausstellung in Chicago. Kunstzeitschriften hoben ihre Porträts hervor, und 1891 erhielt sie vom Senat der Akademie der Künste eine ehrenvolle Erwähnung – eine Auszeichnung, die vor ihr in den fast 200 Jahren seit Gründung der Akademie nur eine einzige andere Frau erhalten hatte.

So gesehen war Elisabeth Lüderitz ihrer Zeit voraus. Eine moderne Frau also?

Kaiserreich und Industrie

Elisabeth lebte in Zeiten des Umbruchs. Noch herrschte ein Kaiser über Deutschland. Doch die Industrialisierung hatte – vor allem in Städten wie Berlin – die Kräfteverhältnisse in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft verschoben. Das alte Wertesystem war ins Wanken geraten und wurde von konservativen Kreisen umso heftiger verteidigt. Und auch die Frauen suchten ihren Platz in der veränderten Welt.

Elisabeth war als Kind einer hugenottischen Kaufmannsfamilie in die besseren Kreise der Berliner Gesellschaft hineingeboren. Doch ihr Vater starb, als Elisabeth zwölf Jahre alt war, und ließ die nun fünfköpfige Familie ohne Einkommen zurück. Elisabeths Mutter verkaufte die Wohnung in Friedrichshain und konnte so zwei ihrer drei Söhnen ein Studium und ihrer Tochter den kostspieligen Unterricht an privaten Malschulen finanzieren.

Studieren für Frauen verboten

Ein Studium an der Akademie der Künste hätte nur ein Bruchteil gekostet – doch dort hieß es bis ins 20. Jahrhundert hinein: für Frauen verboten! Allein das Aktzeichnen – in der klassischen Akademieausbildung ein zentrales Element – war den Herren Grund genug, Kunststudentinnen kategorisch auszuschließen. Im Grunde traute man den Frauen auch nichts Großes zu. Noch im 20. Jahrhundert wurde die künstlerische Veranlagung von Frauen eher in Blumenbildern und der Gestaltung des häuslichen Umfeldes vermutet. Eine professionelle Karriere als Künstlerin war zu der Zeit für Frauen nicht vorgesehen. Das gehobene Bürgertum orientierte sich an höfischen Sitten der vorindustriellen Zeit: Mal- und Zeichenunterricht für Mädchen gehörte zwar zum guten Ton, doch der häusliche Rahmen sollte dabei tunlichst nicht verlassen werden.

Weil die akademische Ausbildung den Frauen verschlossen blieb, konnten sie nur auf private Malschulen ausweichen. Elisabeth lernte unter anderem an der Schule von Professor Dr. Carl Gussow, der den realistischen Stil so perfektionierte, dass seine Porträts auf uns heute wirken wie digitale, leicht überzeichnete Farbfotos. Es muss bitter für ihn und seine Schülerin gewesen sein, dass diese Kunstfertigkeit in Zeiten der aufkommenden Fotografie an Faszination verlor. Elisabeth scheint von Fotos nicht viel gehalten zu haben, zumindest sind kaum welche von ihr erhalten geblieben.

Damenakademie in der Potsdamer Straße

Berühmt geworden ist eine andere Malschule, die Elisabeth besuchte: die „Damenakademie“ des Vereins der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen zu Berlin. Hunderte von Frauen lehrten und lernten hier, darunter später auch Käthe Kollwitz und Paula Modersohn-Becker. Der Verein besteht bis heute und ist der älteste Künstlerinnenverein Deutschlands. 1892 baute der Verein zusammen mit dem Victoria-Lyceum ein eigenes Schulgebäude. In der Potsdamer Straße 98a in Berlin-Tiergarten ist das schöne Backsteingebäude bis heute erhalten geblieben. Die Höhere Mädchenschule befand sich in den ersten beiden Stockwerken, die Obergeschosse mit den großen Atelierfenstern beherbergten die Malschule für Frauen.

Ob Elisabeth zum Zeitpunkt des Neubaus noch in der Damenakademie verkehrte und wie sie zu den anderen Künstlerinnen stand, wissen wir nicht. Sie selbst sieht sich der traditionellen Malerei verhaftet. Ihre Selbstdarstellung in einer Künstlerenzyklopädie klingt fast wie eine Rechtfertigung:

„Meiner äußerlich stillen Entwicklung im Familienkreise gemäß beschränkte ich mich im Wesentlichen auf Staffeleibilder … Meine Zugehörigkeit zur französischen Kolonie, meine Kunstreisen nach Paris, Italien und Wien, mein sonstiger Bildungsgang erzogen mit zu einer Lebensanschauung, die auf der Bewunderung der Antike und der Renaissance (Michelangelo, Venedig, Rembrandt) beruht, die weit abliegt von jener Modernität, für die Sophokles, Voltaire, Goethe nicht da sind.“

1891 heiratete Elisabeth den Justizrat Rudolf Poppe und signierte ihre Bilder nun als Elisabeth Lüderitz-Poppe. Finanziell war sie jetzt abgesichert und die ersten beiden Jahre ihrer Ehe scheinen für sie als Künstlerin die erfolgreichsten gewesen zu sein: Die Teilnahme an der Großen Berliner Kunstausstellung, an der Weltausstellung und die ehrenvolle Erwähnung des Senats der Akademie der Künste fielen in diese Zeit.

Selbstporträt mit weißen Flecken

In einem Selbstporträt, das 1892 auf der Großen Berliner Kunstausstellung zu sehen war, zeigt sie sich als ernste Frau in schlichter Aufmachung. Im Vergleich mit anderen Porträts wird deutlich, dass die üblichen Statussymbole fehlen: keine Rüschen, kein Haarschmuck, im Hintergrund keine Brokattapete und kein golden gerahmtes Landschaftsgemälde. Stattdessen wählte sie einen düsteren, schwarzen Hintergrund, deutlich sind grobe, fast wütend anmutende Pinselstriche zu erkennen. Elisabeths Gesicht ist von der Weißfleckenkrankheit gekennzeichnet. Heute weiß man, dass diese Pigmentstörung nicht ansteckend ist, doch zu ihrer Zeit könnte die Krankheit ihre Arbeit als Porträtmalerin zusätzlich erschwert haben. Die Kunstkritik lobte das Gemälde für „Wahrheitsliebe“ und „Holbein‘sche Delikatesse“.

1895 stellt Elisabeth Lüderitz-Poppe zum letzten Mal ein Bild aus. Danach verliert sich ihre Spur. Von Kindern ist nichts bekannt. Erwiesen ist nur, dass sie 1930 im Alter von 71 Jahren in Berlin an Grippe starb.

Elf Jahre zuvor hatte die Akademie der Künste die erste Studentin aufgenommen, nach dem Ersten Weltkrieg, dem Zusammenbruch des Kaiserreichs und massivem Druck aus Politik und Presse. Die Professoren und auch männliche Studenten sperrten sich bis zum Schluss.

Text: Ursula Pfennig

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Es begann mit der Suche nach einem Foto von Dr. Carl Lüderitz und endete in einer Familienchronik über drei Jahrhunderte. In dem Buch „Die Familie Lüderitz“ trugen die drei Autoren – ein Humanbiologe, ein Historiker und ein Psychologe – Unmengen von Material zusammen und erlauben Einblicke in eine Recherche zwischen Google und Kirchenarchiven.

Paul Enck, Gunther Mai, Michael Schemann: Die Familie Lüderitz. Geschichte und Geschichten aus drei Jahrhunderten. Hayit Sachbuch, Köln 2021, 19,99 Euro

Das Buch ist auch als E-Book hier erhältlich.

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